Propaganda des Terrors – Plakate des NS-Staates zwischen 1933 und 1945
Propaganda Posters of the Nazi Regime

„Ich lernte frühzeitig verstehen, dass die richtige Verwendung der Propaganda eine wirkliche Kunst darstellt.“ – Adolf Hitler. „Ist die nationalsozialistische Bewegung vielleicht durch die Theoretiker an die Macht gekommen – oder durch die Propagandisten?” – Joseph Goebbels.

„I realised early on, that the proper use of propaganda is real art.“ Adolf Hitler

„After all, who brought the National Socialist Movement to power – the theoretican or the propagandists?“ Joseph Goebbels

Die Propaganda der Nationalsozialisten war furchtbar erfolgreich. Erfolgreich bis in den Untergang. Sie begeisterte Mädchen und Jungen ebenso wie ganz Alte; die Propaganda erreichte Beamte und Bauern, Pfarrer und Hausfrauen, wohlhabende Unternehmer und arme Schlucker; alle Gaue, Menschen aus Kultur und Sport. Hitlers Propaganda mobilisierte Millionen. Sie war allgegenwärtig – und Goebbels, Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda, holte sich die besten Werbegrafiker, die schon vorher anerkannt und gut im Geschäft mit Produktwerbung waren. Viele von ihnen machten mit. Sie mussten sich gar nicht weltanschaulich verbiegen, weil ihre Sympathie für den Nationalsozialismus schon aus eigenem Antrieb gleichgeschaltet war. Andere sahen sich als unpolitische Dienstleister Also konnten sie einfach mitmachen, weitermachen – bei der NSDAP selbst, beim Winterhilfswerke, der HJ, der „revolutionären Elite“ der SS, beim Amt für Schönheit der Arbeit, bei der Polizei oder in der arisch-nationalistischen Konsumwerbung. Sie sicherten sich lukrative Aufträge.

Plakate waren das allgegenwärtige Hauptmedium der Zeit – an Litfaßsäulen oder Anschlagtafeln. Viele Deutsche entflammten für diese junge Partei mit charismatischem Führer, aufopferungsvoller Gefolgschaft und einem brillanten Propagandaminister, der gigantische Auftritte, Aufmarschplätze und Fackelzüge organisierte.

„Wie konnte es geschehen?“ Sylke Wunderlich, promovierte Kunstwissenschaftlerin, analysiert in diesem großformatigem Bildband mit mehr als 200 Abbildungen erstmals überhaupt die überwältigende Plakatwerbung des NS-Staats. Sie schildert, wie Grafiker mithalfen, die Gesellschaft immer tiefer mit nationalsozialistischen Wertvorstellungen zu durchdringen und durch überzeichnete Karikaturen den Hass auf Juden anzustacheln.

Das Buch  führt in die subtilen, unterschwelligen Stilmittel der Grafik ein, beschäftigt sich mit Zeichen und Symbolen, dem Hakenkreuz, Schriftarten wie Tannenberg, Parteitagen und Aufmärschen, der Jugend, Freizeit, Ausstellungen und Filmen, Rasse und Familie, Tourismus und Werbung und schließlich der Mobilisierung zum Krieg. Jedes Kapitel wird umfassend eingeleitet: mit welcher Erfahrung die Grafiker sich einbringen, welche manipulative Wirkung die Plakate erzielen, wo sie möglicherweise abgekupfert oder angelehnt sind, besonders bei den Bildmontagen der Kommunisten, den Kulturbolschewisten, oder der Ästhetik der Bauhaus-Moderne – der früheren Heimat mancher Nazi-Grafiker. Zu jedem einzelnen Plakat erläutert eine aufwändig recherchierte Legende, wer es geschaffen hat, wann, zu welchem Zweck. Einzelne Grafiker und ihre Rolle im Räderwerk der Partei werden ausführlich vorgestellt wie zum Beispiel Ludwig Hohlwein, der zwar auch Reklame-Aschenbecher und Bierkrüge „für Führer und Volk“ konnte, aber vor allem das visuelle Erscheinungsbild der Nationalsozialisten ähnlich intensiv geprägt hat wie Heinrich Hoffmann mit seinen Fotos die Wahrnehmung Hitlers. Hohlweins Plakat zu den Olympischen Winterspielen 1936 in Garmisch-Partenkirchen mit einem entrückt wirkendem Sportler ist ikonisch.

Fast nahtlos ging es nach 1945 weiter: Hans Schweitzer [Mjölnir] wurde entnazifiziert, zahlte 500 DM Strafe und  betätigte er sich als Plakatmaler auf der US-Airbase Rammstein oder Plakatentwerfer für den Wahlkampf der FDP 1953. Leo Bothas war nach 1945 viel beschäftigter Filmplakatgrafiker beim Gloria Filmverleih in München. Bruno Hanich mit seinem Plakat über die  „jüdische Weltverschwörung“ gründete in Hamburg die Werbeagentur Trias und entwarf für die Zeitschrift Hör Zu die Werbefigur Mecki. Herbert Bayer verließ 1938 Deutschland, sah sich danach mit dem Vorwurf konfrontiert, den Nazis modernste Propaganda geliefert zu haben – er arbeitete in den USA erfolgreich weiter. Josef Fenneker, der das Plakat zum Film über den SA-Helden Horst Wessel entworfen hatte, erhielt Aufträge von der Städtischen Oper in West-Berlin, der Komischen Oper in Ost-Berlin und den Städtischen Bühnen in Frankfurt/Main.

Zahlreiche Unternehmen von damals kennen wir auch heute noch: die Filmproduktion Bavaria, die Werbefirma Dorland, den Filmverleih Tobis, Chlorodent für weiße Zähne, Persil für weiße Wäsche und den Dessous-Hersteller Palmers, in der Werbung als arisches Unternehmen herausgestellt. Natürlich auch Mercedes-Benz, denn Hitler, Göring und Goebbels schätzten den Mercedes 770, den repräsentativen 7.7 Liter Achtzylinder.

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Herausgeber/Autorin: Sylke Wunderlich
ISBN:
978-3-95723-160-4, Verfügbarkeit: 9. November 2020, Umfang: 206 Seiten, 24,5 x 32 cm Großformat, Hardcover, Preis: 49,95 €

The National Socialists‘ propaganda was fabulously successful. Successful to the downfall. The propaganda reached officials and farmers, pastors and housewives, wealthy entrepreneurs and poor wretches; all classes, people from the cultural and sports world. Hitler’s propaganda mobilized millions. It was omnipresent – and Goebbels got the best commercial artists, who were already recognized and good in business. Many of them took part. Many Germans inflamed for this young party with a charismatic leader, self-sacrificing followers and a brilliant propaganda minister.
„How could it happen?“ In this large-format book with more than 200 illustrations, a comprehensive compendium, Sylke Wunderlich analyses the overwhelming poster advertising of the Nazi state.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Besprechung in tabularasa, Zeitung für Gesellschaft und Kultur, 16. November 2021, Michael Lausberg:

Sylke Wunderlich: Propaganda des Terrors. Plakate des NS-Staates zwischen 1933 und 1945, Berlin Story Verlag, Berlin 2021, ISBN: 978-3-95723-160-4, 49,95 EURO (D)

Das nationalsozialistische Regime hat mit seiner Bild-Propaganda durch ihre massenhafte Vertreibung und Wiederholung immer gleicher Bildtypen und Parolen das Bildgedächtnis des 20. Jahrhunderts entscheidend mitgeprägt. Sylke Wunderlich, Expertin für Plakatgeschichte im 20. Jahrhundert, legt hier ein umfassendes Kompendium der Plakatpropaganda der NSDAP in der Weimarer Republik und im NS-Staat vor. Das großformatige Buch erscheint gleichzeitig in deutscher und englischer Sprache.

In ihrer Propaganda waren die Nazis am Puls der Zeit: „Die Propagandastrategien der NSDAP verstanden es, ausgeklügelte Methoden der Markenwerbung auf die politische Agitation zu übertragen – das allgegenwärtige Hakenkreuz ist in diesem Sinne durchaus als Marke zu verstehen. (…) Mit einfachen Schlagworten, der Masse verständlichen, realistischen Bildern boten sie, vielfach unterschwellig, Identifikationsmuster.“ (S. 9)

Die verschiedenen Plakattypen und Merkmale werden in einzelnen Kapiteln präsentiert: Zuerst kommt ein einleitender Text mit beispielhaften Besprechungen, die danach in einem Bildteil großformatig abgedruckt sind.

Zuerst geht es Symbole und Schrifttypen. Dabei wird dem Fakt Rechnung getragen, dass die NS-Propaganda nicht erst 1933 einsetzte, sondern wesentlich früher anzusetzen ist. Symbole wie das Hakenkreuz, die SS-Rune oder der Adler wurden als Stiftung von Identität benutzt. Da sich die Nazis auf das Deutsche beriefen, wurden fast alle Drucksachen der NSDAP in Frakturschrift abgedruckt. Danach werden Wahlplakate, auch Diptychons, ab der Reichstagswahl 1930 analysiert und abgedruckt.

Danach geht es um Propaganda auf den seit 1933 in Nürnberg stattfindenden Reichsparteitagen. Dabei kommen Ausschnitte aus Propagandafilmen Leni Riefenstahls von den Parteitagen ebenso wie Zeitungen, Zeitschriften etc. vor. Außerdem geht es die Propaganda von Massenaufmärschen. Anschließend Plakate und Prospekte zu den Olympischen Spielen 1936 in Berlin. Sportereignisse waren Bestandteile einer organisatorisch und ideologisch durchgeplanten Maschinerie der Massenbeeinflussung, vor allem internationale. Werbung für den Eintritt in die HJ und BDM und für Sporttage, Freizeiten oder Fahrten in Jugendherbergen wird dann behandelt. Ausgehend von den Volks- und Gemeinschaftsschulen bis hin zu Eliteanstalten wie Nationalpolitische Erziehungsanstalten (NPEA) fand die Plakatierung sowohl zentral als auch regional statt. Der eigene Festkalender und die eigene Festtagskultur wie „Gaufeste“ oder der „Tag der nationalen Arbeit“ wird danach untersucht.

Kunst, Film und Ausstellungen im Rahmen der NS-Kulturpolitik wie die Ausstellungen „Entartete Kunst“ oder die „Reichsmusiktage“ kommen dann an die Reihe. Eigens für die Plakatwerbung wurden damals renommierte Künstler verpflichtet. Plakate der DAF und deren Unterorganisation KdF, die für die Propaganda auch in der Freizeit zuständig war, wird danach analysiert. Weiter geht es mit Reklame für Konsumprodukte im Nationalsozialismus, darunter heute noch bekannte Markenprodukte wie Persil oder Mercedes-Benz, und Urlaubsreisen in verschiedene deutsche oder damals zum Deutschen Reich gehörenden Regionen wie das ehemalige Stettin. Werbeplakate für den Eintritt in die Wehrmacht in den besetzten Ländern oder für die SS werden dann thematisiert. Plakate des Winterhilfswerks des deutschen Volkes (WHW) oder der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt (NSV) zur Spendensammlung sind Gegenstand des folgenden Kapitels. Für die Rechtfertigung und Apotheose von Mobilisierung und Krieg wurde ein enormer Propagandafeldzug gestartet, der dann besprochen wird. Ebenso werden antisemitische, antibolschewistische Plakate und der anderer Länder der Alliierten sowie plakative Aufrufe an die Bevölkerung in den besetzten Ländern gezeigt.

Im Anhang findet man noch benutzte Bücher, Kataloge, Zeitschriften, Links, ein Personenregister sowie ein Orts- und Sachregister.

Der Einsatz des Plakates für die Durchdringung der NS-Propaganda und deren damals moderner Methoden wird hier eingehend analysiert. Sowohl Hitler als auch Goebbels setzten sich intensiv mit Reklame, ihrer Verbreitung und den wissenschaftlichen Erkenntnissen der Zeit zu ihrer Wirkung auseinander, die Plakatpropaganda war also ein instrumentaler Aspekt der NS-Herrschaft.

Die Plakate werden entweder großformatig auf einer Seite oder mehrere auf einer Seite gezeigt. Interessant sind vor allem die gezeigten Anleihen von einigen Plakaten an sozialistische Vorbilder, um dieselbe Zielgruppe der Arbeiter und sozial Marginalisierte zu erreichen oder die Anleihen am Bauhaus

 

Besprechung im Industriekulturbrief November 2021, Günter Höhne

Die Berliner Autorin zählt zu den kundigsten Kennerinnen, Publizistinnen und Sammlerinnen deutscher und internationaler Plakatkunst der Moderne des 20. und 21. Jahrhunderts. Besonders verdient macht sie sich seit über 30 Jahren mit ihrer umfassenden Sichtung, Analyse, Pflege und Dokumentation des Plakatschaffens in der DDR und den ostdeutschen Bundesländern.

Sylke Wunderlich setzt sich in ihrem neuen Werk nicht unter einem speziellen Gesichtspunkt oder einigen ausgewählten typischen Aspekten der Nazi-Propaganda auseinander, sondern betrachtet in zwölf thematischen Kapiteln tatsächlich fast die gesamte inhaltliche, ästhetische und typografische Bandbreite (wenn von letzterer die Rede sein kann) des Sujets: Von „Symbole und Schrift“ (I) generell über „Propaganda und Wahlen“ (II), „Olympische Spiele und Sport“ (IV), „Reklame und Tourismus“ (IX) bis hin zu „Mobilisierung und Krieg“ (XII). Eine meiner Kenntnis nach erstmals derart umfassende Analyse und ein in mehrerlei Hinsicht schwieriges Unterfangen. Helm ab davor, möchte man sagen.

Beim ersten Durchblättern des 25 mal 32 Zentimeter großen Bandes irritierte mich zunächst die auffällig zahlreiche Präsenz ganzseitig abgebildeter Plakate aus der Zeit des so genannten Dritten Reiches. Sie nimmt 85 der rund 190 illustrierten Buchseiten ein und somit fast deren Hälfte. Die jeweiligen Textbeigaben begleiten dies beherrscht nüchtern, präzise analysierend, hin und wieder mal sarkastisch-kühl. In ihren Kommentierungen schildert Sylke Wunderlich unaufgeregt sachlich-kritisch konkrete zeitliche und inhaltliche Phasen der deutschen faschistischen Ideologie. Verdienstvoll ist es, dass die Verfasserin nicht versäumt hat zu recherchieren, was die dereinst dem hitler‘schen Ungeist in Grafikateliers und Medien zu Diensten gewesenen Verbreiter und Vorantreiber von Hetze und Lüge dann nach der Überwältigung des „nationalsozialistischen“ Verbrecherregimes so trieben in der BRD – als Propagandisten von Wunderwaffen zuvor und Wunderwirtschaft später. Jene biografischen Schilderungen sind unmittelbar in die bildliche und erzählerische Vorstellung ihres Wirkens eingebunden, so wie hier beispielsweise auch der ehemalige Bauhäusler und bis 1938 weiter im Hitler-Deutschland gut beschäftigte Grafiker und Typograf Herbert Bayer nicht unerwähnt bleibt.

Das Werk ist mit seiner analytischen Umschau ein lehrreicher, entlarvender Beitrag zum Selbstdarstellungsbild des verbrecherischen NS-Systems.