Autorin: Margot Friedländer
ISBN:
978-3-95723-187-1
Erschienen: 18. Januar 2022
Verfügbarkeit: 18. Januar 2022
Umfang: 92 Seiten, 22 Abbildungen, 205 x 125 mm, Broschur
Preis: 16.95 €

„Ihr müsst vorsichtig sein“ – Zum 100. Geburtstag der Holocaustüberlebenden Margot Friedländer

Ein Gespräch mit Mathias Döpfner

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Margot Friedländer wurde 1921 in Berlin geboren, lebte im Untergrund und wurde nach Theresienstadt deportiert.
Nach der Befreiung aus dem KZ wanderte sie in die USA aus, um mit fast 90 Jahren in ihre Heimatstadt zurückzukehren. Seitdem erzählt sie unermüdlich ihre Geschichte und kämpft gegen das kollektive Vergessen.

2021 feierte Margot Friedländer ihren 100.
Geburtstag.

Mathias Döpfner hat sie zum Interview getroffen. Ein Gespräch über die Vergangenheit und die Lehren für die Zukunft.

Zum 100. Geburtstag der Holocaust-Überlebenden Margot Friedländer herausgegeben von Mathias Döpfner.

Aus dem Vorwort von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier:

Margot Friedländer erzählt über den Schrecken und über die Ungeheuerlichkeit der Verbrechen, die an ihr und ihrer Familie verübt worden sind, nicht um ihr Gegenüber zu erschrecken. Sie berichtet von der Angst nicht, um zu verängstigen. Sie tut es in der gegenteiligen Absicht. Sie will aufklären.
Es ist für euch, sagt Margot Friedmann. Es ist nicht für mich.
Wir, die wir heute leben und Verantwortung füreinander tragen, sind gemeint. Wir sollen wachsam sein und vorsichtig, eine Vorstellung davon bekommen, wie es begonnen hat, lernen, Vorzeichen zu erkennen, ahnen, in welchem Umfeld ein Menschheitsverbrechen wie die Shoah verübt werden konnte …

Damit sollten wir Margot Friedländer danken für das Geschenk ihrer Offenheit und ihres Vertrauens: dass wir den Leugnern und Verharmlosern wach und selbstbewusst entgegentreten und den Antisemitismus in unserem Land bekämpfen. Und ja, dabei dürfen wir es nicht bei Beteuerungen und schönen Worten belassen, wie sie sagt, wir müssen etwas tun. Bedrohte Menschen brauchen auch im Alltag unseren Beistand. Antisemitische Hetze muss vor Gericht gebracht werden. Sie darf nicht straflos bleiben.
Denn wer ihr zugehört hat, weiß, dass es ein großes Geschenk ist, das sie ihrem Land, Deutschland, gemacht hat …

Aus dem Gespräch:

Mathias Döpfner: Wie war Ihr Leben während der Pandemie?

Margot Friedländer: Viele haben gemeckert, dass sie eingesperrt sind. Ich habe mich in den vergangenen anderthalb Jahren nie eingesperrt gefühlt. Sie wissen ja, wieso. Ich kenne es, eingesperrt zu sein. Es gab eine Zeit, da konnte ich wegen Covid niemanden sehen. Da habe ich per Zoom an vielen Veranstaltungen teilgenommen und Interviews gegeben. Später habe ich Fußballnationalspieler Leon Goretzka getroffen. Wir hatten ein wunderbares Gespräch. Aber es war insgesamt weniger. Darüber bin ich aber gar nicht so unglücklich gewesen, weil ich in den letzten zehn Jahren unglaublich viel gearbeitet habe. Vor Corona habe ich zwei bis dreimal pro Woche Schulen besucht. Insgesamt mehrere Hundert.

Friedländer: Nach meinem Besuch beim Arzt bin ich, wie es mit meiner Mutter verabredet war, zu uns nach Hause gegangen. Vor mir lief ein Mann, der mir komisch vorkam. Er sah nach SS oder Gestapo aus mit seinem längeren Mantel. Da habe ich mir gedacht: Wenn der ins Haus geht, dann sei vorsichtig. Es war so ein Gefühl. Und er ging ins Haus. Aber ich musste ja zu meiner Mutter, um zu besprechen, wie wir uns am Abend verteilen. Also bin ich langsam die Treppen raufgegangen. Meine Mutter wohnte in der zweiten Etage. In der ersten war der Mann nicht, und ich dachte, vielleicht ist er dort jemanden besuchen. Als ich dann die Treppe weitergegangen bin, sah ich ihn vor unserer Tür stehen. Ich bin dann an ihm vorbeigegangen. Ganz nah. Fast hätte ich ihn berührt.

Friedländer: Ja. Antisemitismus hat es immer gegeben, seit Tausenden von Jahren. Ich versuche immer, zu erklären, dass wir alle gleich sind. Wir kommen alle als Individuum zur Welt. Warum wird man also ein schlechter Mensch? Warum wird man Antisemit? Ich weiß es nicht.

Friedländer: Ja, weil es diese Zugehörigkeit gab und ich mir selbst wieder erlaubt habe, in Deutschland als Deutsche zu leben. In Amerika hatte ich nicht das Gefühl, vieles erzählen zu können. Hier habe ich das Gefühl, dass ich gehört werde.